Montag, 3. Mai 2010

Hotelbibliothek

Ich möchte mal vorlesen aus
Bob Dylan Chronicles Vol. 1, übersetzt von Kathrin Passig und Gerhard Hentschel
S. 175
Eines Tages fuhr ich ins Krankenhaus, wo der Arzt meine Hand untersuchte und sagte, dass sie gut verheile und sich womöglich bald wieder etwas Gefühl in den Nerven einstellen werde. Das hörte sich ermutigend an. Ich fuhr zurück nach Hause, wo mein ältester Sohn mit seiner künftigen Frau in der Küche saß. Auf dem Herd köchelte ein dicker Eintopf aus Meeresfrüchten. Ich nahm im Vorbeigehen den Deckel ab und schaute in den Topf.
"Was meinst du?" fragte meine zukünftige Schwiegertochter.
"Was ist mit der Whiskeysauce?"
"Muss noch gemacht werden", sagte sie.
Ich legte den Deckel wieder auf den Topf und ging hinaus zur Garage. Der restliche Tag verging wie ein Windstoß.

S. 229
Manchmal sagt man in einem Song etwas, das vielleicht nur von fern der Wahrheit entspricht. Manchmal sagt man Dinge, die gar nichts mit dem zu tun haben, was man in Wahrheit sagen will, und manchmal sagt man auch Dinge, von denen jeder weiß, dass sie wahr sind. Aber gleichzeitig denkt man, die einzige Wahrheit auf der Welt sei die, dass es auf der Welt keine Wahrheit gibt. Ganz egal, was man sagt, es ist nur Gestammel. Man hat nie Zeit, in Ruhe über alles nachzudenken. Zusammenflicken, drüberbügeln, rein damit, und ab geht die Post - so läuft das normalerweise.

Bob Dylan hat gesprochen. Seine Chronicles sind genauso kryptisch wie seine Lieder.

Keine Kommentare: